CFP (update): Ko-Erinnerung: Grenzen, Herausforderungen und Perspektiven des neueren Shoagedenkens / Co-memoration: Limits, Challenges, and Possibilities in Contemporary Shoah Remembrance

CFP (update): Ko-Erinnerung: Grenzen, Herausforderungen und Perspektiven des neueren Shoagedenkens / Co-memoration: Limits, Challenges, and Possibilities in Contemporary Shoah Remembrance

Veranstalter
Daniela Henke, Tom Vanassche, Graduiertenkolleg 'Faktuales und Fiktionales Erzählen' DFG-GRK 1767
Veranstaltungsort
Ort
Freiburg im Breisgau
Land
Deutschland
Vom - Bis
19.04.2018 - 21.04.2018
Deadline
30.11.2017
Website
Von
Daniela Henke, Tom Vanassche

„Ko-Erinnerung: Grenzen, Herausforderungen und Perspektiven des neueren Shoagedenkens“
Internationale Tagung. Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 19.-21.April 2018
Keynote speakers: Professor Mihran Dabag (Bochum) und Professor Susanne Knittel (Utrecht)

Call for Papers (english version below)
Michael Rothberg unternimmt in seiner Monographie Multidirectional Memory: Remembering the Holocaust in the Age of Decolonization (2009) den Anlauf, einen neuen Weg des Gedenkens an die Shoa und andere Fälle genozidaler Gewalt einzuschlagen. Seine Hauptargumente können wie folgt zusammengefasst werden:
1. Erinnerung muss nicht notwendigerweise die Form eines durch (Opfer-) Konkurrenz geprägten Nullsummenspiels annehmen, wie es in vielen Debatten den Anschein hat. Rothberg entwirft in seinem Modell dagegen eine von Koexistenz und gegenseitiger Anerkennung geprägte Erinnerungskultur, in der verschiedene Erinnerungen voneinander profitieren, indem sie sich gegenseitig Sprache verleihen. Gleichzeitig räumt Rothberg ein, dass ein simplifizierender Vergleich verschiedener Fälle historischer Gewalt zu inadäquaten Relativierungen und Geschichtsrevisionismus führen kann.
2. Das Aufkommen der Erinnerung an Shoa und Kolonialismus ereignete sich nicht unabhängig voneinander, vielmehr sind diese Erinnerungskulturen Resultate eines permanenten Austauschs und Dialogs. Hannah Arendts The Origins of Totalitarianism und André Césaires Discours sur le colonialisme belegen dies.
3. Der Zusammenhang zwischen Erinnerung und (kollektiver) Identität ist weniger linear, als allgemein angenommen wird. Kollektive Identitäten sind folglich keine derart abgeschlossenen Monolithe, wie sie die traditionelle Erinnerungsforschung seit Maurice Halbwachs‘ Das kollektive Gedächtnis darstellt.
Auch andere TheoretikerInnen kritisieren jenes Denken in Opferkonkurrenzen und Erinnerungshierarchien und suchen nach neuen Wegen des Ko-Erinnerns. Hier sei auf Aleida Assmann (2013) hingewiesen, die neben multidirectional memory auch dialogische und inklusive Modelle skizziert. Solche neuen Wege der Ko-Erinnerung fordern unsere Denkgewohnheiten heraus, insofern sie die Vorstellung hinter sich lassen, dass jeglicher Vergleich anderer historischer Gewaltverbrechen mit der Shoa ihrer Trivialisierung gleichkommt. Gleichzeitig bringen sie neue Erinnerungsformen hervor und bergen die Chance, einen neuen Blick auf ältere Texte und Phänomene zu werfen. All diese Gesichtspunkte lassen sich kontrovers diskutieren.
Die Ziele unserer Konferenz sind dreierlei. Zum einen wollen wir weitere Beispiele für deutschsprachige Erinnerungsäußerungen zusammentragen und in den Fokus rücken, die Ko- Erinnerung aufweisen und aus der Perspektive neuerer Gedächtnistheorien analysiert werden können. In diesem Zusammenhang lassen sich auch (historische) Diskurse des (scheinbaren) Ko-Erinnerns, die vielmehr eine Opferkonkurrenz reaktualisieren, kritisch hinterfragen. Zum zweiten fragen wir nach vergleichbaren Beispielen aus anderen Sprachräumen. Zum dritten interessieren uns Beiträge, die fiktionstheoretische mit gedächtnistheoretischen Ansätzen verknüpfen. Thematisiert die Gedächtnisforschung etwa die soziale Bedeutung, die Shoafiktionen stärker als anderen Fiktionen zuzukommen scheint? Lassen sich fiktionstheoretische Probleme wie die Integration faktualer Gegenstände in die Fiktion durch gedächtnistheoretische Ansätze neu in den Blick nehmen?
Mögliche Themen und Fragestellungen könnten folgende sein, sind aber selbstverständlich nicht auf diese beschränkt:
Das Märchen vom Letzten Gedanken (1989) von Edgar Hilsenrath, welcher den Genozid gegen die Armenier von 1915 mit der Shoa verbindet.
Der Roman Austerlitz (2001) von W.G. Sebald, der den belgischen Kolonialismus mit der Shoa in Zusammenhang bringt.
Fritz Haber (2005-2014), eine serielle graphic novel von David Vandermeulen, die das Thema der deutschjüdischen Identität im Deutschen Kaiserreich (in Vorausschau auf die Shoa) behandelt und mit dem Genozid gegen die Herero und Nama (1904-08) in Zusammenhang bringt.
Der Roman Winter Fünfundvierzig oder die Frauen von Palmnicken (2010) von Arno Surminski, der Shoa- mit Vertriebenenliteratur verbindet.
Die Grenzen der Ko-Erinnerung: Rothberg wendet sein Konzept in erster Linie auf Vergleiche mit Sklaverei und Kolonialismus an. Assmann hält die neueren
Gedächtnistheorien für anschlussfähig an andere Gewaltkomplexe. Gibt es Fälle und Beispiele, die den Versuch des Ko-Erinnerns diskreditieren? In welchen Fällen wird man einer (selbst oder von außen auferlegten) Zensur folgen, wenn es darum geht, verschiedene historische Katastrophen miteinander zu vergleichen?
Welche gesellschaftlichen Chancen bringen Wege der Ko-Erinnerung mit sich und welche Beispiele gibt es dafür?
Welche ethischen und methodischen Konsequenzen sind aus der Mehrsprachigkeit und
Transliteralität im Kontext von Erinnerungsdebatten zu ziehen? Die Sprache der Täter
und der Opfer ist nicht immer dieselbe. Wie lässt es sich vermeiden, die Sprache der
Gewalt durch die Debatte zu rekultivieren?
Finden neuere Ansätze des Ko-Erinnerns im Kontext von Bildung und Wissensvermittlung Zustimmung und wenn ja, wie und in welchem Zusammenhang?
Die neuen (sozialen) Medien ermöglichen theoretisch die Gestaltung von Erinnerung und Gedenken unabhängig von nationalstaatlichen Rahmen. Ist das in der Praxis mit verstärkten multidirektional orientierten Bestrebungen verbunden?
Die Frage nach der Wichtigkeit der Fiktion(sforschung) in der Theoriebildung des Gedächtnisses (kollektiv, kulturell, multidirectional).
Zwar richtet sich unser Call in besonderer Weise an Vorschläge mit Beispielen aus dem deutschsprachigen Kontext, jedoch ist das Konzept eng an den interdisziplinären Austausch gebunden. Aus diesem Grund freuen wir uns auf literaturwissenschaftliche Beiträge aus verschiedenen Philologien ebenso wie auf Beiträge aus den Geschichts-, Medien-, Sozial-, Kultur- und Politikwissenschaften.
Einreichung:
Bitte senden Sie Abstracts (300 Wörter) der geplanten Vorträge auf Englisch oder Deutsch sowie einen kurzen akademischen Lebenslauf bis zum 30. November 2017 an daniela.henke@mail.grk1767.uni-freiburg.de und tom.vanassche@mail.grk1767.uni- freiburg.de
Über die Annahme der Vorschläge werden wir bis spätestens zum 15. Januar 2018 informieren.
Die Tagung wird von Daniela Henke und Tom Vanassche konzipiert und organisiert und findet im Rahmen des Graduiertenkollegs 1767 „Faktuales und fiktionales Erzählen“ statt (Sprecherin: Monika Fludernik).

“Co-memoration: Limits, Challenges, and Possibilities in Contemporary Shoah Remembrance”
International conference. Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 19-21 April 2018
Keynote speakers: Professor Mihran Dabag (Bochum) and Professor Susanne Knittel (Utrecht)

Call for Papers
Michael Rothberg’s Multidirectional Memory: Remembering the Holocaust in the Age of Decolonization (2009) is an attempt at a different way of commemorating the Shoah and other instances of violence on a genocidal scale. Its three core arguments may be summarized as follows:
1. commemoration need not be a competitive endeavour, following a zero-sum game logic. Rothberg’s model can be read as a plea for a new culture of commemoration based on coexistence and mutual recognition, which ultimately benefits all memories. Commemorating various histories of violence may inspire mutual recognition of suffering rather than marginalising certain discourses. Rothberg acknowledges, however, that an oversimplified comparison of instances of violence may lead to unethical relativizing and ahistorical commemoration.
2. the emerging of memor(y)(ies) of the Shoah and of colonialism were not isolated occurrences, but rather products of incessant dialogue and exchange – Hannah Arendt’s The Origins of Totalitarianism and André Césaire’s Discours sur le colonialisme serve as Rothberg’s main examples.
3. the link between commemoration and (group) identity is not as straightforward as generally assumed, and therefore group identities are not as monolithic as “traditional” memory studies have implied since Maurice Halbwachs’s On Collective Memory.
Other theoreticians have similarly challenged this logic of competition. One may think of Aleida Assmann’s (2013) outline of not merely the multidirectional paradigm, but also of alternative dialogical and inclusive models of commemoration. We argue that all these innovative ways of co-memoration challenge our habitual ways of thinking, since they refute the notion that to compare the Shoah to other instances of mass violence is to trivialise the Shoah. New discourses emerge, and older texts and phenomena may be analysed anew. These new points of view are, however, subject to controversy and debate.
The aim of our conference is threefold. Firstly, we want to consider more instances of commemoration within German-speaking countries which can be analysed through the perspective of co-memoration. In a similar vein, (historical) discourses of (purported) co- memoration, which may rather evoke a renewed competition between groups of victims, need to be critically assessed. Secondly, we are looking for similar examples from other languages. Thirdly, we are very much looking forward to contributions which link theories of fiction to theories of commemoration. Does the field of Memory Studies reflect on the social status of fiction, which in the case of the Shoah seems to be defined and discussed differently from other topics? Conversely, may theorists of fiction approach questions such as the integration of historical facts in fictional narratives differently by taking insights from the field of Memory Studies into account?
Possible topics and questions include, but are of course not limited to,
Edgar Hilsenrath’s Das Märchen vom Letzten Gedanken (1989), which connects the genocide against the Armenians (1915) and the Shoah.
W.G. Sebald’s Austerlitz (2001), which connects (Belgian) colonialism and the Shoah.
David Vandermeulen’s Fritz Haber (2005-2014), a serialized graphic novel which depicts the issue of Jewish-German identity in the Wilhelmine Empire (and foreshadows the Shoah) and contextualises the genocide against the Herero and Nama (1904-08).
Arno Surminiski’s Winter Fünfundvierzig oder die Frauen von Palmnicken (2010), which combines the Shoah and the fate of the Heimatvertriebenen.
The limits of co-memoration: Rothberg applies his concept mainly in relation to slavery and colonialism. Assmann argues that new approaches to commemoration can be applied to other “contexts of violence” as well. In which cases are attempts at co- memoration discredited? In which cases can one observe a (self-imposed or not) censorship when comparing historical instances of mass violence?
What social opportunities does co-memoration offer, and which examples illustrate these?
The issue of multilingualism and translation: how to deal with this ethically and methodologically? The language of the perpetrator is not necessarily that of the victim. How to avoid reinstating the language of violence?
Does co-memoration find approval and application in institutions of education, and if so, in which contexts and how?
New (social) media – theoretically – enable the shaping of commemoration outside of a nation-state framework – is this in practice paired with an increase in multidirectionally oriented endeavours?
The interest within Memory Studies for the status of fiction, and its reflection on this status in theorizing (collective, cultural, multidirectional) memory.
Although we encourage contributions in the field of German studies, Memory Studies depends strongly on interdisciplinary research. As such, we look forward to contributions from the fields of literary studies in various languages (and from a broad range of traditions), history, media studies, sociology, cultural studies, and political science.
Submission:
Please submit your abstract (300 words) by 30 November 2017 in English or German as well as a short academic curriculum vitae to daniela.henke@mail.grk1767.uni-freiburg.de and tom.vanassche@mail.grk1767.uni-freiburg.de
We will reply to your application no later than 15 January 2018.
The conference is conceptualised and organised by Daniela Henke and Tom Vanassche at the Graduate School Factual and Fictional Narration (director: Monika Fludernik).

Programm

Kontakt

Daniela Henke

Erbprinzenstraße 13
79085 Freiburg

Daniela.Henke@mail.grk1767.uni-freiburg.de